Der Gesprächskreis Homosexualität

der Ev. Advent-Kirche Berlin-Prenzlauer Berg
war Initiator der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus.

Totgeschlagen - Totgeschwiegen -
den homosexuellen Opfern
des Nationalsozialismus

Gedenktafel für die Homosexuellen Opfer - KZ Sachsenhausen

Gedenkbuch

für die bisher namentlich bekannten zum Tode verurteilten und hingerichteten Homosexuellen

Emil Sill

Stolperstein Emil Sill Geboren am: 06.08.1904
Geburtsort: Nürnberg
Hingerichtet am: 14.04.1944
Verlegeort: ⟩ 90461 Nürnberg, Wilhelm-Spät-Straße 65
Initiator: Fliederlich e.V., Queeres Zentrum Nürnberg
Zum Lebensweg: Emil Sill kam am 6. August 1904 in Nürnberg als jüngstes von sechs Kindern des Optikers Jean Sill und dessen Ehefrau Maria, geborene Eichenmüller, zur Welt. Nach dem Besuch der Volksschule machte Sill eine Ausbildung zum Schriftsetzer, konnte diesen Beruf wegen einer Erkrankung an Bleikolik jedoch nicht ausüben. Er arbeitete deswegen zunächst als Bürohelfer und dann als kaufmännischer Angestellter bei den Siemens-Schuckert-Werken.

Aus seiner Ausbildungszeit kannte Sill den etwa gleichaltrigen Anton Moertel, mit dem er über viele Jahre hinweg eine Liebesbeziehung hatte. Dass Sill 1933 die Ehe mit Klara Bohle einging und mit ihr eine Tochter zeugte, wurde später von den Ermittlungsbehörden vor diesem Hintergrund lediglich als Versuch gewertet, seine Homosexualität nach außen hin zu verbergen. In den Akten ist von einer "Scheinehe" die Rede. Nach der Heirat betrieb Sill zusammen mit seiner Frau ein Milchgeschäft.

In den Jahren der NS-Diktatur gelang es Sill lange Zeit, als Homosexueller unerkannt zu bleiben und einer Strafverfolgung zu entgehen. Ins Visier der Ermittler rückte er erst während des Zweiten Weltkrieges. Aufgrund des Verdachtes, homosexuell zu sein, wurde Sill im November 1943 in Untersuchungshaft genommen. Im Zuge der Ermittlungen, die nun folgten, wurde seine Liebesbeziehung zu Moertel aktenkundig sowie einige Fälle, in denen Sill, beispielsweise im Nürnberger Volksbad, sexuelle Kontakte zu jungen Männern gesucht hatte. Wohl aus dem Grund, dass einige der Sexualpartner Sills minderjährig waren, wurde der Fall nicht vor dem eigentlich zuständigen Landgericht zur Anklage gebracht, sondern vor dem Nürnberger Sondergericht verhandelt. Durch drakonische Strafen sollten hier in ausgewählten Fällen Exempel statuiert werden.

Der Prozess gegen Sill fand am 29. Februar 1944 unter dem Vorsitz des fanatischen Nationalsozialisten und Sondergerichtspräsidenten Rudolf Oeschey statt. Sill wurde vorgeworfen, für die "Verbreitung der homosexuellen Abartigkeit unter noch unreifen jungen Menschen" verantwortlich zu sein.

Gestützt auf eines erlassenen Ausnahmegesetzes des NS-Regimes (hier "Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuchs vom 4. September 1941" veröffentlicht im ⟩  Reichsgesetzblatt, Teil 1, vom 8. September 1941 Nr. 101, S. 549-550), verurteilte das Gericht Sill mit dieser Begründung wegen Verstoßes gegen den Paragraphen 175 zum Tode.

Am 4. April 1944 wurde Sill im Gefängnis München-Stadelheim vom NS Henker ⟩ Johann Reichhart hingerichtet. Nach Kriegsende setzte der Mörder Reichhardt seine Arbeit im Auftrag der Alliierten fort und vollstreckte 156 Hinrichtungen verurteilter nationalsozialistischer Kriegsverbrecher.


Fussnoten:
1Johann Reichart - Bayerns letzter Henker Rotarmist, Pazifist, Nazi-Henker: Johann Reichart war der Mann, der die Geschwister Scholl umbrachte. Unter den Nazis reiste der vormals fast arbeitslose Henker durch ganz Deutschland, um Hinrichtungen vorzunehmen, war gefragt und verdiente sehr gut.
Seine Geschichte erzählen wird in der ⟩ Stalingrad-Podcast Folge255: "Johann Reichart - Bayerns letzter Henke" erzählt.
Quellen:
• Biografische Zusammenstellung von Dr. Matthias Gemählich
• Stadtarchiv Nürnberg, C 21/IX Meldekarte.
• Staatsarchiv Nürnberg, Anklagebehörde bei dem Sondergericht Nürnberg, Nr. 2483.