Der Gesprächskreis Homosexualität

der Ev. Advent-Kirche Berlin-Prenzlauer Berg
war Initiator der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus.

Totgeschlagen - Totgeschwiegen -
den homosexuellen Opfern
des Nationalsozialismus

Gedenktafel für die Homosexuellen Opfer - KZ Sachsenhausen

Gedenkbuch

für die bisher namentlich bekannten ermordeten Homosexuellen des KZ Sachsenhausen & des Männerlagers im KZ Ravensbrück

Hermann Gernet


Bild: 🔎 Hermann Gernet; Foto: Staatsarchiv Nürnberg


Stolperstein Hermann Gernet
Geboren am: 02.06.1902
Geburtsort: Würzburg
Ermordet am: 23.03.1942
Verlegeort: 97080 Würzburg, Matterstockstraße 19
Initiator:  
Zum Lebensweg: Hermann wurde am 2.6.1902 in Würzburg geboren. Seine Eltern waren Johann und Kunigunde Gernet, geborene Groh. Er hatte zwei ältere Brüder: Johann (Jahrgang 1895) und Josef (Jahrgang 1900). Von 1908 bis 1916 besuchte Hermann die Pestalozzi-Schule in Grombühl. Nach Beendigung seiner Schulzeit begann er im Jahr 1916 eine Lehre bei der Papier- und Schreibwarengroßhandlung Karl Scheiner. In dieser Firma war er bis 1923 tätig. Da sich Hermann Gernet mit einem kleinen Geschäft für Obst und Blumen selbständig machen wollte, erlernte er noch den Gärtnerberuf.

In dem von ihm selbst verfassten Lebenslauf schreibt er:
Ich bin voll arbeitsfähig. Vor meiner Verhaftung betrieb ich mein eigenes Geschäft, Gemüse, Obst, Blumen- und Kranzbinderei, mit kleinem Gartenbaubetrieb. Ich konnte mit einem netto Verdienst pro Woche (Sommer wie Winter) von 30,- Mark rechnen. Ich wohnte mit meiner Mutter zusammen in Würzburg, Danzigerstr 19 III bis zu meiner Verhaftung (Bayern Unterfranken). Haus und Grundbesitz habe ich nicht. Mein Gartenbaubetrieb ist Pacht. Eigentum des Bürgerspitals.

Hermann Gernet führte also ein bescheidenes Leben, hatte als Obst- und Gemüsehändler ein regelmäßiges Einkommen und kam wohl leidlich zurecht. Da sein Vater im November 1922 an Magenkrebs verstorben war, lebte er als jüngster der drei Söhne bei der Mutter.

Das erste Mal aktenkundig wird er in Zusammenhang mit der Verhaftung von ⟩  Hans Mattes 1 im Jahr 1935. Hans Mattes war wegen Vergehen nach § 175 RStGB verhaftet worden und hatte im Verlauf seiner Vernehmung auch den Namen von Hermann Gernet genannt. Gernet wurde folglich einbestellt und verhört, aber am 8. 5.1935 aus der Polizeihaft entlassen. Es ist anzunehmen, dass er bis dato nicht polizeibekannt war. Ansonsten wäre er – wie die anderen fünf Männer, die Mattes in seiner Vernehmung belastet hatte – in Schutzhaft genommen worden.

Am 11.1.1936 verurteilt das Gericht Würzburg Hermann Gernet wegen des Verstoßes gegen § 175 RStGB zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten. Zudem werden ihm als Nebenstrafe für 3 Jahre die Ehrenrechte aberkannt.
Am 16.1.1936 tritt er seine Strafe in der Gefangenenanstalt Nürnberg an und bleibt dort bis 16.1.1941 eingesperrt. Mehrere Gnadengesuche seiner Anwälte werden abgelehnt. Im Gefängnis in Nürnberg erhält er regelmäßig Besuch von seiner Mutter und seinen Geschwistern. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich, die lange Haftzeit setzt ihm körperlich und seelisch zu.

Am 21.2.1941 wird Hermann Gernet im Konzentrationslager Dachau registriert. Mit der Haft-Nummer 23911 wird er in der Häftlingskategorie „Polizeiliche Sicherungsverwahrung“ aufgelistet. Als Beruf ist „Händler“ angegeben.

Von Dachau aus wird er am 8. 4.1941 in das Konzentrationslager Ravensbrück überstellt. Ravensbrück war ursprünglich ein Frauenlager, wurde aber 1938/1939 erweitert, um auch männliche Strafgefangene aufnehmen zu können.

Bernhard Strebel2 schreibt in seinem Aufsatz über das KZ Ravensbrück: „Die Geschichte des eigentlichen Männerlagers begann am 8.4.1941 mit dem Eintreffen von 300 Häftlingen aus der Strafkompanie des KZ Dachau, die in Ravensbrück lange Zeit ihre besondere Kennzeichnung mit dem sog. Strafpunkt auf der Häftlingskleidung behielten.“

Hermann Gernet war einer dieser 300 Häftlinge aus der Strafkompanie.

Im Archiv des Instituts für Nationales Gedenken in Warschau, in dem das Nummernbuch des Männer-KL Ravensbrück aufbewahrt wird, ist er mit der Haft-Nr. 423 und in der Häftlingskategorie B.V. (Berufsverbrecher) verzeichnet. Vermerkt ist auch, dass er am 23.3.1942 in die Tötungsanstalt Bernburg3 überstellt wurde.
Bei diesem Transport nach Bernburg handelt es sich um den ersten Transport von Häftlingen aus dem Männerlager des Konzentrationslagers Ravensbrück, die im Rahmen der Aktion 14f13, also wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit, selektiert worden waren. Diese Selektionen hatten in Ravensbrück bereits im November 1941 und im Januar 1942 stattgefunden. 334 Männer waren von einer Ärztekommission unter Leitung des „Euthanasie“-Arztes ⟩  Dr. Fritz Mennecke im Lager begutachtet und auf ihre Arbeitsfähigkeit hin geprüft worden. Einige Wochen später, am 23. und 25.3.1942 erfolgte dann der Abtransport derjenigen Häftlinge, deren Nummern die Ärztekommission bei ihrer „Gutachtertätigkeit“ aufgeschrieben und somit für arbeitsuntauglich befunden hatte. Arbeitsunfähigkeit bedeutete das Todesurteil für diese Männer. Dieser gezielten Tötungsaktion fielen Gefangene aus allen Häftlingskategorien zum Opfer.

Hermann Gernet war bei dem ersten Abtransport aus Ravensbrück am 23.3.1942 dabei. Es ist als sicher anzunehmen, dass er unmittelbar nach seiner Ankunft in Bernburg am 23.3.1942 ermordet wurde.
Als fingiertes Todesdatum wurde den Angehörigen der 5.5.1942, Konzentrationslager Ravensbrück, mitgeteilt. Todesursache sei eine „Herzinsuffizienz“ gewesen. Beide Angaben finden sich so auch im Sterbebuch St. Josef, Jg. 1942, Nr. 75. Sie sind aber nachweislich falsch und dienten dem Zweck, die Angehörigen über die wahre Todesursache und das Todesdatum zu täuschen und etwaige Nachforschungen zu erschweren.

Seine letzte Ruhestätte befindet sich in Würzburg auf dem ⟩  Hauptfriedhof (Grabnummer; 2.2.1.5) in der ⟩ Martin-Luther-Straße. Im Sterbebuch der Gemeinde St. Josef ist auch vermerkt, dass die Beerdigung der Urne von Hermann Gernet am 4. Juni 1942 um 9.00 Uhr stattfand.

Hermann Gernet wurde 40 Jahre alt.
Autorin: Petra Blasius, Würzburger Stolpersteine; ⟩  Biografie Hermann Gernet.
Fussnote:
1 Siehe Biographie ⟩ Hans Mattes auf Würzburger Stolpersteine
2 Bernhard Strebel: »Das KZ Ravensbrück. Geschichte eines Lagerkomplexes«, Paderborn 2003, ISBN 3-506-70123-1
3 Euthanasie Bernburg: ⟩  Gedenkstätte für Opfer der NS-„Euthanasie“ Bernburg