Der Gesprächskreis Homosexualität

der Ev. Advent-Kirche Berlin-Prenzlauer Berg
war Initiator der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus.

Totgeschlagen - Totgeschwiegen -
den homosexuellen Opfern
des Nationalsozialismus

Gedenktafel für die Homosexuellen Opfer - KZ Sachsenhausen

Gedenkbuch

für die bisher namentlich bekannten ermordeten Homosexuellen des KZ Sachsenhausen & des Männerlagers im KZ Ravensbrück

Nils Claus Nissen 1

Gedenkbuch für Nils Nissen Geboren am: 08.6.1909
Geburtsort: Bergedorf | Hamburg
Ermordet am: 18.11.1941
Verlegeort: ⟩ 20537 Hamburg, Von-Graffen-Straße 10 (Kehre vor Parkplatz)
Initiator: Keine Angabe
Zum Lebensweg: Zur Schreibweise des Namens1 gibt es unterschiedliche Schreibweisen, vermutlich eine falsche Transkription des in Kurrentschrift geschriebenen Buchstabens "s": Der Lagerarbeiter Nils Claus Nissen wurde am 8. Juni 1909 in Bergedorf geboren. Nach der Trennung seiner Eltern wurde der damals Zwölfjährige zu seinen Großeltern gegeben, wo er in "geordneten Verhältnissen" aufwuchs. Nach dem Abschluss der Volksschule absolvierte er eine kaufmännische Lehre. 1929 bis 1931 arbeitete er als Kontorist in einem Transportgeschäft. 1932 bis zu seiner ersten Verurteilung wegen Vergehens nach § 175 im Jahr 1935 war er bei einem Bücherrevisor angestellt.

Eine Inhaftierung im Sommer 1934 wegen "Sittenverbr." blieb ohne Anklage. Im Dezember 1935 wurde Nils Nissen vom Schöffengericht in Altona wegen "widernatürlicher Unzucht" zu neun Monaten Haft verurteilt. Diese Strafe hatte er zwar am 26. Juli 1936 verbüßt, kam aber erneut in Untersuchungshaft wegen eines weiteren Delikts nach § 175, für das er im Dezember 1936 vom Amtsgericht Hamburg zu einer 16-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Diese Strafe verbüßte er bis zum 17. Februar 1938, unter anderem im Emslandlager VI Oberlangen.

Ein Jahr später, im Februar 1939, wurde die Kriminalpolizei erneut auf Nils Nissen aufmerksam. Dieser wurde von einem Strichjungen im Verhör als einer seiner Freier angegeben. Die beiden hatten sich im Oktober 1938 in dem Stricherlokal "Anker" auf St. Pauli kennengelernt. Daraufhin , wurde Nils Nissen verhaftet, zunächst am 14. April 1939 in das KZ Fuhlsbüttel und dann in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt eingeliefert.

In einem amtsärztlichen Gutachten vom Juni 1939 schrieb Dr. Wildhagen über Nils Nissen: "Daß es sich bei Nissen um einen der umstrittenen angeborenen Homosexuellen Fälle handelt, ist abzulehnen, vielmehr geht aus der Vorgeschichte eindeutig eine durch Verführung bedingte Bindung an Homosexuelle Kreise hervor, wobei auch materielle Gründe eine Rolle mitgespielt haben. ... Nissen ist ein labiler Mensch, der von einer energischen Frau wohl leicht zu beeinflussen und zu leiten ist. ... Die Frage der Sicherungsverwahrung ist m. E. noch nicht so dringlich, da man einem jungen, labilen Menschen, der so lange in Homosexuellen Kreisen verkehrt hat, die Gelegenheit geben muß, sich in normalen sexuellen Dingen wieder zurecht zu finden und anfangs immer mal mit einer Entgleisung zu rechnen ist. Andererseits sind die Erfolge der Sicherungsverwahrung bei Homosexuellen sehr problematisch. Ärztlicherseits ist die Sicherheitsverwahrung in vorliegendem Falle nicht zu befürworten ..."

Nils Nissen wurde im Oktober 1939 vom Landgericht Hamburg zu 18 Monaten Haft verurteilt. Auch diese Haft verbüßte er in Hamburg und ab Januar 1940 in einem Emslandlager, dieses Mal im Lager V Neusustrum. Nach seiner Strafverbüßung am 22. Oktober 1940 wurde er entgegen der Einschätzung des Gerichtsmediziners über das Untersuchungsgefängnis Kiel im Februar 1941 als "befristeter Vorbeugehäftling/175" in das KZ Sachsenhausen verbracht und erhielt dort die Häftlingsnummer 35033. Im April 1941 ist er dort im Krankenbau nachweisbar, für den 21. Mai 1941 ist eine Überstellung in das KZ Natzweiler dokumentiert, wahrscheinlich kehrte er am 24. Juni 1941 von dort zurück. Am 14. November 1941 wurde Nils Nissen erneut dem Krankenbau des KZ Sachsenhausen zugeführt, wo er am 18. November 1941 starb.

© Bernhard Rosenkranz †/Ulf Bollmann
Quellen:
StaH, 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 10934/39; 242-1II Gefängnisverwaltung II, Ablieferungen 13 und 16; 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 d; Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Archiv JSU 1/97, Bl. 171 u. 311; D 1 A/1220, Bl. 6 u. 15 und D 1 A/1054, Bl. 95, 118 u. 121; Rosenkranz/Bollmann/Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung, S. 240.
Quelle: Stolpersteine in Hamburg (www.stolpersteine-hamburg.de)