Der Gesprächskreis Homosexualität

der Ev. Advent-Kirche Berlin-Prenzlauer Berg
war Initiator der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus.

Totgeschlagen - Totgeschwiegen -
den homosexuellen Opfern
des Nationalsozialismus

Gedenktafel für die Homosexuellen Opfer - KZ Sachsenhausen

Gedenkbuch

für die bisher namentlich bekannten ermordeten Homosexuellen des KZ Sachsenhausen & des Männerlagers im KZ Ravensbrück

Paul Walter Karl Juhe

Gedenkbuch Paul Walter Karl Juhe Geboren am: 15.11.1897
Geburtsort: Magdeburg
Ermordet am: 11.06.1940
Verlegeort: ⟩ 39104 Magdeburg, Blauebeilstraße 10
Initiator: Lesben- und Schwulenverband Deutschland
Landesverband Sachsen-Anhalt
Zum Lebensweg: Paul Walther Karl Juhe wurde am 15. November 1897 in Magdeburg als Sohn des Handelsmanns Franz Eduard Otto Juhe und seiner Frau Bertha Anna, geborene Heisinger, in deren Wohnung in der Blaue Beilstraße 10 geboren und er wurde evangelisch getauft.1 Der Ledige wohnte auch später in Magdeburg und war von Beruf Kaufmann und kaufmännischer Angestellter.

In der Zeitschrift für lesbische Frauen "Die Freundin" vom 14. November 1927 hieß es: "Die Damengruppen des Bundes für Menschenrecht nehmen noch neue Mitglieder auf! Einwandfreie Damen wollen sich an folgende Adressen wenden: ... in Magdeburg: Paul Juhe, Blaue Beilstr. 10 …" Er war offensichtlich im Bund für Menschenrecht, der politischen Organisation zur Emanzipation Homosexueller, engagiert und mit 29 Jahren so emanzipiert und mutig, dass er seinen Namen öffentlich als Kontaktanschrift nannte und zu seiner homosexuellen Orientierung stand. Ob diese 14 genannten Damengruppen tatsächlich existierten oder nur von den bereits bestehenden Gruppen von Männern erwünscht waren, ist nicht bekannt. Zu den 14 Ortsnennungen der Gruppen, wagten nur fünf einen vollen Namen zu nennen, es waren fünf Männer. Paul Juhe wohnte auch später in seinem Geburtshaus unter dieser Anschrift.

Am 1. März 1937 überführte die Kriminalpolizei Magdeburg den 39-Jährigen in das Gefängnis Magdeburg in die Untersuchungshaft. Dort beschrieb man ihn wie folgt: 1,70 m groß, untersetzte Gestalt, rasiert, blaugraue Augen und blondes Haar, keine besonderen Kennzeichen.

Vom 17. März bis zum 10. April 1937 war er erneut in Polizeihaft, vermutlich für weitere Verhöre, und danach wieder in Untersuchungshaft. Wahrscheinlich verurteilte ihn im Juni 1937 das Landgericht Magdeburg nach §175a zu einer etwa dreijährigen Zuchthausstrafe, denn am 15. Juli 1937 transportierte man ihn zur Strafverbüßung in das Zuchthaus Coswig. Von dort kam er vom 3. Dezember 1937 bis zum 13. Januar 1938 und vom 15. Juli bis zum 18. August 1938 wieder nach Magdeburg und danach nach Coswig. Wahrscheinlich musste er als Zeuge in anderen Prozessen aussagen, die in diesen Zeiträumen stattfanden.

Nach verbüßter Strafe transportierte ihn die Polizei am 8. Juni 1940 in das KZ Sachsenhausen bei Berlin, wo die SS ihn als Homosexuellen und "Schutzhäftling" einstufte, ihn in Bock 35 unterbrachte und er die Häftlingsnummer 25.453 erhielt. Paul Juhe verstarb drei Tage später am 11. Juni 1940 im Alter von 42 Jahren. Angeblich habe er etwa um 23.00 Uhr den Freitod durch Erhängen gewählt. Darüber legte man auch in Berlin eine Akte zur Todesermittlung an.

Zur Erinnerung, zu seinem Andenken und zur Mahnung vor dem Unrecht setzte man ihm 2010 vor seinem früheren Wohnort in Magdeburg einen Stolperstein.
Autor: Rainer Hoffschildt, Hannover; Foto: © Robert Tecklenburg, LSVD Magdeburg
Fußnoten:
1 KZ Sachsenhausen 1936 - 1945: ⟩ Totenbuch