Der Gesprächskreis Homosexualität

der Ev. Advent-Kirche Berlin-Prenzlauer Berg
war Initiator der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus.

Totgeschlagen - Totgeschwiegen -
den homosexuellen Opfern
des Nationalsozialismus

Gedenktafel für die Homosexuellen Opfer - KZ Sachsenhausen

Gedenkbuch

für die bisher namentlich bekannten ermordeten Homosexuellen des KZ Sachsenhausen & des Männerlagers im KZ Ravensbrück

Wilhelm Machold

Stolpersteine Wilhelm Machold & Julius Friedel

Vor dem Wohnhaus Mehringdamm 88 befinden sich zwei Stolpersteine. Hier soll Wilhelm Machhold zuletzt bei Julius Friede als Untermieter gewohnt haben.
Siehe Julius Friede; Stolpersteine Berlin Kreuzberg
Foto: © Lothar Dönitz, Berlin 2023
Geboren am: 07.06.1896
Geburtsort: Frankfurt am Main
Ermordet am: 07.10.1942
Verlegeort: ⟩ 10965 Berlin, Mehringdamm 88
Initiator: k. A.
Zum Lebensweg: Wilhelm Machold wurde am 7. Mai 1896 als Sohn von Barbara, Elisabeth Schneider in Frankfurt am Main geboren und später vom Ehepaar Anton, Richard und Rosa, Barbara Machold adoptiert. Im Sterberegister werden sie als "Wahl-Vater" & "Wahl-Mutter" bezeichnet.1 Mehr wissen wir dazu nicht.

Nach dem Schulabschluss absolvierte er eine dreijährige Lehre im kaufmännischen Bereich.

Ab 1913 war er als Büroangestellter für verschiedene Unternehmen tätig. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Soldat. Nach seiner Entlassung aus der Armee im November 1918 schloss sich der damals arbeitslose Wilhelm Machold dem Freikorps Hülsen an. Mit diesem kam er nach Berlin, wo er sich schließlich dauerhaft niederließ. Dort wohnte er zuletzt in der Belle-Alliance-Straße 31 (heute: Mehringdamm 88) im Bezirk Kreuzberg bei der jüdischen Familie Friede zur Untermiete.In Berlin fand Wilhelm Machold zunächst eine Anstellung bei der Mitteleuropäischen Schlafwagen- und Speisewagen Aktiengesellschaft (MITROPA), wo er als kaufmännischer Angestellter beschäftigt war. Nach drei Jahren wechselte er zum Versorgungsamt und war dann bei verschiedenen privaten Unternehmen beschäftigt.

1928/29 arbeitete er als Justizangestellter in den Amtsgerichten Lichterfelde und Wedding. Im Anschluss hieran wechselte er erneut die Branche und wurde Reisevertreter für Bücher. Zuletzt war er als kaufmännischer Angestellter beim Verlag Rudolf Lenz in Charlottenburg tätig.

Wilhelm Machold war ein selbstbewusster Homosexueller. Während der Weimarer Republik engagierte er sich im 1923 gegründeten Bund für Menschenrecht e.V.“, der sich für die Rechte homosexueller Menschen einsetzte. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten begann auch für ihn die Zeit der Verfolgung. Bereits 1933 und 1936 war er aufgrund seiner Homosexualität ins Visier der Polizei geraten.

Am 28. Februar 1937 sprach Wilhelm Machold am Halleschen Tor einen Mann an, der sich als Kriminalbeamter entpuppte. Als dieser ihn verhaften wollte, versuchte Machold zu fliehen und wurde hierbei angeschossen. Noch während seines Aufenthaltes im Kreuzberger Urbankrankenhaus durchsuchte die Gestapo Wilhelm Macholds Wohnung. Bei der Hausdurchsuchung fanden sich Zeitschriften der Homosexuellen Bewegung der 1920er Jahre und zahlreiche Briefe und damit Adressenmaterial für weitere Nachforschungen. Die Polizei beschlagnahmte die Unterlagen. Bekannt wurde so auch, dass er vor vielen Jahren oft junge Männer angesprochen und mit denen sexuelle Abenteuer gehabt hatte, obwohl diese meist heterosexuell veranlagt waren. Fast alle Straftaten waren verjährt.

Vom 1. März bis zum 7. April 1937 befand er sich in polizeilicher "Schutzhaft" und danach in Untersuchungshaft, zu der er in die Haftanstalt Berlin-Moabit verlegt wurde. Erst jetzt wurde er selbst vernommen, gestand lediglich ein, dass er seit dem 20. oder 21. Lebensjahr homosexuell empfinde, auch dass er vor Kurzem noch homosexuellen Verkehr gehabt hatte mit einem Mann, dessen Namen er nicht wisse. Auf weitere Fragen verweigerte er die Antworten. Wütend vermerkte ein Gestapobeamter nach einem abgebrochenen Verhör:
"Geschlossen mit der Bemerkung, dass es sich bei Machold um einen äußerst verstockten und hartnäckigen Lügner handelt, der durch kein Mittel zu bewegen ist, zu seinen Taten zu stehen und seine Partner zu nennen. Er glaubt offenbar, sich herausschwindeln zu können, um dann nach seiner Freilassung sein Treiben sofort wieder aufzunehmen, denn er erklärte anfangs, wenn er seine Partner alle nenne, dann bekämen doch sowohl diese wie er eine lange Strafe. Die Vernehmung mußte abgebrochen werden, weil nichts mit ihm anzufangen ist."
Das Landgericht Berlin verurteilte ihn am 5. August 1937 nach §175 in der alten Fassung und nach §175 in der 1935 eingeführten verschärften NS-Fassung zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren. Ein Partner wurde mit ihm verurteilt, zwei weitere waren nicht auffindbar.
Das Gericht vermerkte:
"Bei der Strafzumessung war bei dem Angeklagten Machold strafverschärfend zu berücksichtigen, daß es sich bei ihm um einen typischen Homosexuellen handelt, der trotz genauer Kenntnis des gesetzlichen Verbotes seit Jahren nur gleichgeschlechtlich verkehrt, sowie, daß er sich der Feststellung seiner Personalien seitens der Polizei durch die Flucht zu entziehen versucht hat und erst nach Gebrauch der Schußwaffe wieder festgenommen werden konnte."
Zur Strafverbüßung überführte man ihn am 19. August 1937 in das Gefängnis Berlin-Tegel. Dort entließ man ihn nach verbüßter Strafe am 9. Mai 1939 aus der Haft. Er konnte wieder in seinem alten Zimmer bei der jüdischen Familie Friede wohnen, die Verständnis für ihn und seine Homosexualität hatte. Die Familie überlebte die NS-Zeit im Untergrund.

Etwa im Juni 1942 transportierte die Polizei Machold in das KZ Sachsenhausen, wo die SS ihn als Homosexuellen einstufte und er die Häftlingsnummer 43.255 erhielt.
Wilhelm Machold wurde am 10 Juli 1942 im Klinkerwerk des KZ Sachsenhausen von der SS ermordet. Er wurde 46 Jahre alt.2

Im Außenlager Klinkerwerk des KZ Sachsenhausen wurden zwischen Juli und September 1942 gezielt etwa 180 bis 200 homosexuelle Häftlinge umgebracht.3

Zur Mahnung vor dem Unrecht, zur Erinnerung und zu seinem und der Familie Friede Andenken setzte man ihm vor seinem früheren Wohnort in Berlin-Kreuzberg, Mehringdamm 88, damals Belle-Aliance-Straße 31, einen Stolperstein. Im Sterberegister des Standesamt Oranienburg wurde allerdings als Wohnadresse Berlin Neukölln, Boddinstraße 65 angegeben. 4
Autoren: Lorraine Bluche, Stolpersteine in Berlin. Rainer Hoffschildt, Hannover (Dezember 2017). Überarbeitet: Lothar Dönitz (Januar 2023).
Fußnoten:
1 Aroslen Archives International Center on Nazi Persecution (ehem. Internationaler Suchdienst Arolsen. ⟩  Sterbeurkunde
2 KZ Sachsenhausen 1936 - 1945: ⟩ Totenbuch
3 Joachim Müller in: Joachim Müller, Andreas Sternweiler, Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen, Berlin 2000, S. 216 ff.
   Video von der Gedenkveranstaltung anlässlich des 80. Jahrestages der Mordaktion im Außenlager Klinkerwerk am 18.09.2022.