Der Gesprächskreis Homosexualität

der Ev. Advent-Kirche Berlin-Prenzlauer Berg
war Initiator der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus.

Totgeschlagen - Totgeschwiegen -
den homosexuellen Opfern
des Nationalsozialismus

Gedenktafel für die Homosexuellen Opfer - KZ Sachsenhausen

Gedenkbuch

für die bisher namentlich bekannten ermordeten Homosexuellen des KZ Sachsenhausen & des Männerlagers im KZ Ravensbrück

Benno Hans Paul Meyer

Gedenkbuch Benno Meyer Geboren am: 02.05.1878
Geburtsort: Braunschweig
Ermordet am: 02.07.1941
Verlegeort: ⟩ 39104 Magdeburg, Regierungsstraße 23
Initiator: Petra und Peter Ließmann, Helmstedt
Zum Lebensweg: Benno Hans Paul Meyer wurde am 2. Mai 1878 in Braunschweig geboren.1 Als Berufsangabe lässt sich in den spärlich überlieferten Akten sowohl Architekt2 als auch Bauführer3 finden. In Magdeburg wohnte er in der Regierungsstraße 23 in der Altstadt. Sein Bruder Kurt lebte unweit von ihm ebenfalls in der Altstadt von Magdeburg.4 Folgendermaßen kann er beschrieben werden: Er war 1,76 m groß und von untersetzter Gestalt. Er hatte ein ovales Gesicht und graue Augen, trug Glatze und war bartlos.5

Vermutlich Anfang April 1937 wurde er in Polizeihaft genommen.6 Dort verhörte man ihn und er gestand.7 Mitte April wurde er von der Polizei Magdeburg in Untersuchungshaft in das Gefängnis Magdeburg eingeliefert. Seiner Freiheit wurde der ledig gebliebene 58-Jährige aufgrund § 175 Strafgesetzbuch in der 1935 radikal verschärften NS-Fassung beraubt. Auf der Gefangenenpersonalkarte wurde noch vermerkt, dass er keine besonderen Kennzeichen habe. Vorstrafen wurden nicht angegeben.

Bereits zwei Monate später, am 11. Juni 1937, verurteilte ihn das Amtsgericht Magdeburg zu drastischen drei Jahren Gefängnis aufgrund § 175 StGB. Wegen der Höhe der Strafe kann angenommen werden, dass er mehrere Partner gehabt haben musste. Da er geständig war, wurde die Untersuchungshaft von 68 Tagen auf die Strafhaft angerechnet. Mitte Dezember 1937 transportierte man ihn vom Gefängnis Magdeburg in das damals schon sehr große und heute noch bestehende Gefängnis St. Georgen-Bayreuth. Hier verliert sich seine Spur zunächst im Dunkel. Rein rechnerisch hätte er Anfang Juni 1940 aus der Strafhaft entlassen werden müssen. Vermutlich wurde er aber nicht in die Freiheit entlassen, sondern von der Justiz der Polizei zur Vorbeugungshaft übergeben.

... Seine Spur taucht wieder auf im Konzentrationslager Sachsenhausen. Dort wurde der mittlerweile 62-Jährige als „B.V. 175 Nr. 34.542 SK“ Anfang Dezember 1940 eingeliefert. Das „B.V.“ kategorisiert ihn als „Berufsverbrecher“.8 „175“ ordnet ihn der Gruppe der homosexuellen Rosa-Winkel-Häftlinge zu, die auch in der internen Lagerhierarchie unter den Mithäftlingen auf den untersten Stufen stehen. Als Schwuler kam er in die  ⟩ Strafkompanie Schuhläufer, in der unter erschwerten Bedingungen über einige Jahre in der Militärschuhe auf langen Märschen getestet wurden.9

Bereits Anfang Januar 1941, nach nicht einmal einem Monat, und erneut Mitte Februar erkrankte er und wurde in den Krankenbau des Konzentrationslagers eingeliefert. Ob er noch jemals wieder gesund wurde ist sehr fraglich. Jedenfalls teilte man ihn am 5. Juni 1941 dem "Kommando S" zu. Damit ist wahrscheinlich der "Transport S" gemeint, auf den zu der Zeit 269 unter anderem durch den Arzt Friedrich Mennecke ausgewählte Häftlinge kamen. Sie wurden mit Lastwagen am 4., 5. und 7. Juni 1941 in die  ⟩ Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein in Sachsen transportiert und in der dortigen Gaskammer mit Kohlenmonoxid erstickt. In dieser Tötungsanstalt wurden 1940 und 1941 etwa 14.000 Menschen ermordet.
Zu seinem Tod wurde angegeben, er sei am 2. Juli 1941 um 6.25 Uhr angeblich im KZ Sachsenhausen und angeblich an Kreislaufversagen beim Grundleiden Altersschwäche verstorben (ermordet). Nach rund sieben Monaten im KZ war er systematisch in den Tod geschunden worden. Er wurde 63 Jahre alt.

Seine Urne wurde erst im Mai 1942 auf dem  ⟩  Wilmersdorfer Waldfriedhof Güterfelde beigesetzt.10 Ein Denkmal erinnert an die dort bestatteten KZ-Häftlinge.
Autor: Rainer Hoffschildt, Hannover 07/2009.
Fußnoten:
1  KZ Sachsenhausen 1936 - 1945: ⟩ Totenbuch
   Mitteilung des Archivs der Gedenkstätte Sachsenhausen: Standesamt Braunschweig 1003/1878, Vater: Georg Hermann Theodor M., verstorben Angabe von 1941),
Mutter: Amalie Marie Johanne Helene M., geborene Schubert, verstorben (Angabe von 1941)
2    Mitteilung des Archivs der Gedenkstätte Sachsenhausen. Insgesamt sind die Angaben zu Benno Meyer sehr dürftig, vieles kann nur vermutet oder abgeleitet werden. Eine Strafakte mit einem Urteil ist in Magdeburg nicht überliefert.
3    Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Abteilung Magdeburg: C 144 Gefängnis Magdeburg, Gommern und Schönebeck B, Nr. 276 A-Z, Gefangenenpersonenkarte.
4    Gefangenenpersonenkarte. Auf dieser Karte ist als Verwandter lediglich sein Bruder aufgeführt.
5    Personenbeschreibung vermutlich zu Fahndungszwecken auf der Gefangenenpersonalkarte.
6    Aus der Anzahl der Tage der angerechneten Untersuchungshaft ergibt sich, dass er vermutlich spätestens am 4. April 1937 in Polizeihaft genommen wurde und dort mindestens zehn Tage verblieb.
7    Die Untersuchungshaft wurde i.d.R. nur bei geständigen Straftätern angerechnet.
8    Gelegentlich wird "B.V." auch als "befristeter Vorbeugungshäftling" interpretiert. Diese Deutung dürfte allenfalls für die Vorkriegszeit gelten.
9   Joachim Müller »Wie die Bewegung, so die Verpflegung« Die Strafkompanie Schuhläufer; In: Joachim Müller, Andreas Sternweiler, Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen, Berlin 2000, S. 181 ff.
10   ITS-Bad Arolsen, beigesetzt am 21. Mai 1942, Urne Nr. 1903, Grablage J.Mass.Ur.F.