Der Gesprächskreis Homosexualität

der Ev. Advent-Kirche Berlin-Prenzlauer Berg
war Initiator der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus.

Totgeschlagen - Totgeschwiegen -
den homosexuellen Opfern
des Nationalsozialismus

Gedenktafel für die Homosexuellen Opfer - KZ Sachsenhausen

Gedenkbuch

für die bisher namentlich bekannten ermordeten Homosexuellen des KZ Sachsenhausen & des Männerlagers im KZ Ravensbrück

Julius Enoch



Homosexueller Jude!

Kein Stolperstein vorhanden.
Geboren am: 04.05.1899
Geburtsort: Neidenburg | Ostpreußen
Ermordet am: 01.03.1942
Verlegeort:  
Initiator:  
Zum Lebensweg: Julius Enoch wurde am 4. Mai 1899 in Narym bei Neidenburg in Ostpreußen, heute Polen, als Sohn von Meir und Ester Enoch geboren.1 Er hatte eine Schwester, Margarete Enoch. Da er jüdischer Abstammung war, zwangen ihm die Nazis den zweiten Vornamen Israel auf. Der Ledige wohnte später in Berlin-Wilmersdorf, Günztelstraße bei Rosenbaum.

1936 verhaftete ihn die Polizei, weil er im Verdacht stand, "widernatürliche Unzucht" getrieben zu haben. Nach heftigem Leugnen entließ man ihn wieder aus der Haft.

Vier Monate vor dem Novemberpogrom 1938 wurde der Briefmarkenhändler Julius Enoch am 1. Juli 1938 bei der Gestapo Abteilung C 3 a um 11 Uhr 15 wegen Verdachts widernatürlicher Unzucht eingeliefert. Schon auf dem Einlieferungsbogen wurde deutlich unter der Rubrik "politische Richtung" vermerkt: "Jude".
»Der Pol. Rev. Ob. Wachtm. Bott vom 151. Pol. Rev. beobachtete gegen 1.30 Uhr im Hindenburg-Park zwei Männer, von denen der eine mit entblößtem Geschlechtsteil auf dem Rücken lag, während der andere (Enoch) neben diesem kniete und dessen Geschlechtsteil im Mund hatte. Bei Anruf versuchten beide zu flüchten, Enoch wurde festgehalten, sein Partner konnte entfliehen. In seiner Vernehmung auf dem Pol. Rev. bestritt Enoch jegliche strafbare Handlung. Der Beamte gab darauf eine Gegenerklärung ab und bleibt bei seiner Beobachtung.«
Enoch wurde daraufhin erneut vernommen und behauptete, normal veranlagt zu sein. Vermerkt wurde jetzt, daß er 1936 schon wegen Verdachts der widernatürlichen Unzucht festgenommen worden war. Sein standfestes Leugnen glaubten ihm die Kripobeamten deshalb nicht und überstellten ihn dem Haftrichter, der am 2. Juli 1938 Haftbefehl erließ.

Julius Enoch Polizeifoto

 🔎 Bild: Polizeifoto von Julius Enoch, 1938

Als der Termin zur Hauptverhandlung bereits auf den 5. Oktober 1938 vor dem Schöffengericht Berlin festgesetzt war, erging eine weitere Denunziation gegen Enoch, bei der auch antisemitische Gründe eine Rolle gespielt haben mögen. Am 1. September 1938 beschuldigte ihn der Theaterdirektor Harry S., geboren am 3. April 1911 in Dresden, ebenfalls der widernatürlichen Unzucht und des Betruges im Briefmarkenhandel. Bei seiner Vernehmung am folgenden Tag berichtete S. davon, daß ihn Enoch sexuell belästigt habe und weiter: "Vor einem Jahr hatte er ein festes Verhältnis mit einem jungen Mann Namens Harry, der finanziell absolut von ihm abhängig war.« Er nannte zudem einen Zigarettenboy aus dem ungarischen Lokal Mikosch am Kurfürstendamm Ecke Wilmersdorfer Straße, mit dem Enoch etwas gehabt haben soll. Die Gestapo-Beamten machten sich sofort auf die Suche und ermittelten Heinz Schippers, geboren am 3. Januar 1910 in Koblenz, als den Zigarettenboy. Am 7. September 1938 wurde dieser fest-genommen und verhört. Seit 1935 lebte Schippers in Berlin, war zunächst als Zigarettenverkäufer im Lokal Mikosch tätig und darauf als Garderobenpächter. Befragt zu seinem Verhältnis zu Enoch gab er wechselseitige Onanie zu. Auch in der Homokartei der Gestapo wurde Schippers gefunden:
»Aus den hiesigen Personalakten des Schippers ist ersichtlich, dass er sich im Jahre 1936 an der Bedürfnisanstalt auf dem Wittenbergplatz nach Art der Strichjungen umhergetrieben hat. Eine strafbare Handlung konnte ihm jedoch nicht nachgewiesen werden.«
Außerdem war er am 8. Dezember 1937 vom Schöffengericht in Berlin wegen versuchter Erpressung mit 10 Tagen Gefängnis bzw. 50 RM bestraft worden. Am 8. September 1938 wurde auch gegen Schippers der richterliche Haftbefehl erlassen.

Durch die neuerliche Anzeige mußte die bereits anberaumte Hauptverhandlung gegen Enoch verlegt werden. Am 19. Oktober 1938 wurde Enoch dann wegen Vergehens gegen § 175 zu zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Die Strafe erscheint sehr hoch. Enoch müßte die Strafe bis spätestens Februar 1941 verbüßt gehabt haben. Aus den Unterlagen in Sachsenhausen erschließt sich seine dortige Einlieferung im Frühjahr 1941 unter der Häftlingsnummer 37011. Er wurde als "Jude/175" geführt, aber auch als "BV/Jude", und kam in den Block 36. Vom 27. Juni bis 23. Juli und vom 19. August bis 3. September 1941 befand sich Enoch im Krankenbau. Ein halbes Jahr später ist er am 1. März 1942 im KZ Sachsenhausen verstorben, angeblich wegen "Kreislaufschwäche". 2
Aus der ⟩  Zentralen Datenbank der Namen der Holocaustopfer Yad Vashem ¦ Shoah Opfernamen:
»Julius Enoch wurde im Jahr 1899 in Jablonken (Wildenau), Deutsches Reich geboren. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebte er in Berlin, Deutsches Reich. Während des Krieges war er in Sachsenhausen, Deutsches Reich..
Julius wurde in der Schoah ermordet.«
Gedenkbuch Yad Vashem Aus dem ⟩  Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945:
»Enoch, Julius Yulius
geboren am 04. Mai 1899 in Jablonken (Wildenau) / Ortelsburg / Ostpreußen
wohnhaft in Berlin (Wilmersdorf)
Inhaftierung:
Berlin-Tegel, Strafgefängnis
18. März 1941 - 01. März 1942, Sachsenhausen, Konzentrationslager
Todesdatum: 01. März 1942
Todesort: Sachsenhausen, Konzentrationslager«







 🔎 Gedenkbuch Julius Enoch.
Autor: Andreas Sternweiler, Rainer Hoffschildt, Hannover.
Recherchen in der Datenbank Yad Vashem und im Gedenkbuch des Bundesarchivs: Lothar Dönitz, Berlin 2018.
Fußnoten:
1 KZ Sachsenhausen 1936 - 1945: ⟩ Internet-Totenbuch
2 Andreas Sternweiler »Homosexuelle Juden« in: Joachim Müller, Andreas Sternweiler, Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen, Berlin 2000, S. 179 ff. 3  Sterbeurkunde ⟩  im Aroslen Archives International Center on Nazi Persecution (ehem. Internationaler Suchdienst Arolsen.)