Der Gesprächskreis Homosexualität

der Ev. Advent-Kirche Berlin-Prenzlauer Berg
war Initiator der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus.

Totgeschlagen - Totgeschwiegen -
den homosexuellen Opfern
des Nationalsozialismus

Gedenktafel für die Homosexuellen Opfer - KZ Sachsenhausen

Gedenkbuch

für die bisher namentlich bekannten ermordeten Homosexuellen des KZ Sachsenhausen & des Männerlagers im KZ Ravensbrück

Karl Hager

Geboren am: 03.12.1875
Geburtsort: Köln
Ermordet am: 22.07.1942
Verlegeort: ⟩  50676 Köln, Schnurgasse/Ecke Wilhelm-Hoßdorf-Straße
Initiator: Grüne Jugend Köln & Privatpersonen
Zum Lebensweg: Karl Hager wurde am 3. Dezember 1875 in Köln geboren und katholisch getauft.1 Er besuchte das Gymnasium bis zur Obersekunda. Der Ledige wohnte auch später in Köln, zuletzt in der Saarstraße 16, und war von Beruf Buchhalter und Kaufmann. Er gab später folgendes an:
"Von Jugend an verspürte ich, daß ich homosexuell veranlagt bin. Ich habe in meiner Jugendzeit des öfteren den Versuch unternommen mit einer Frau geschlechtlich zu verkehren, dies ist mir aber nie gelungen. Ich bestreite nicht, mich homosexuell betätigt zu haben. Schon als Schüler habe ich mit meinen Mitschülern derart homosexuell verkehrt, dass wir untereinander wichsten. Meine homosexuelle Neigung habe ich auf wechselseitige Onanie und Mundverkehr beschränkt, andere Arten des homosexuellen Verkehrs habe ich nicht durchgeführt. Ich als Homosexueller kann mir einen Afterverkehr nicht vorstellen."2

Zwischen 1917 und 1919 war er wegen Verschwendung entmündigt worden. 1920 bestrafte man ihn wegen homosexueller Handlungen. 1921, 1926 und 1935 befand er sich wegen Alkoholismus und Homosexualität in der Heilanstalt Bonn, wo man ihn als haltlosen Psychopathen einstufte. 1933 wurde er wegen Unzucht zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Abends am 27. Juli 1938 nahm ihn die Polizei vorläufig fest, als er mit einem jungen Mann vom Rheinufer in die Stadt Köln gehen wollte. Er stand unter dem Verdacht, sich homosexuell betätigt zu haben. Im September 1938 beurteilte ihn der Gefängnisarzt Dr. Kapp zusammenfassend folgendermaßen:
"Danach handelt es sich bei Hager um einen alten Homosexuellen, der im Laufe der Zeit sehr heruntergekommen ist, auch zeitweise dem Alkohol stark zugesprochen hat und entmündigt gewesen ist. Er ist sicherlich als Psychopath anzusprechen, doch sind die Gesamterscheinungen nicht so stark, dass er als erheblich vermindert zurechnungsfähig im Sinne des §51 Absatz 2 St.G.B. angesehen werden könnte."
Die 3. große Strafkammer des Landgerichts Köln verurteilte ihn unter dem Vorsitz von Dr. Kewenig am 12. Oktober 1938 wegen zweier Verstöße gegen §175 zu einer Gefängnisstrafe von fünf Monaten. Ende Dezember 1938 dürfte man ihn aus der Haft entlassen haben. Doch das Amtsgericht Köln verurteilte ihn nochmals am 6. Juni 1941 wegen "widernatürlicher Unzucht" unter Anrechnung von 34 Tagen Untersuchungshaft auf die Strafhaft zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr.

Zur Strafverbüßung überführte man ihn zunächst am 20. Juni 1941 vom Gefängnis Köln in das Strafgefängnis Siegburg bei Bonn und dann am 8. August 1941 weiter in das Gefängnis Bochum. Möglicherweise hat er sich noch kastrieren lassen, jedenfalls gibt es einen Hinweis darauf. Rein rechnerisch sollte er seine Strafe bis zum 3. Mai 1942 verbüßt haben, doch der Justizvollzug dürfte ihn nun nicht mehr in die Freiheit entlassen, sondern der Polizei ausgeliefert haben.

Etwa Anfang Juli 1942 transportierte ihn die Polizei in das KZ Sachsenhausen bei Berlin, wo ihn die SS als §175-Häftling einstufte und er die Häftlingsnummer 44.659 erhielt. Der Zeitpunkt seines Zugangs im KZ Sachsenhausen war denkbar ungünstig. Im Außenlager Klinkerwerk des KZ Sachsenhausen wurden zwischen Juli und September 1942 gezielt etwa 180 bis 200 homosexuelle Häftlinge umgebracht.3

Karl Hager wurde am 22. Juli 1942 im Klinkerwerk des KZ Sachsenhausen von der SS ermordet. Er wurde 66 Jahre alt.

Am 18. April 2018 wurde der Gedenkbuch für Karl Hager in Köln verlegt.4
Autor: Rainer Hoffschildt, Hannover. Ich danke Fred Brade und Joachim Müller, beide Berlin, für die Informationen aus dem Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen.
Bild: © 1971markus@wikipedia.de / Cc-by-sa-4.0
Ich danke Erwin in het Panhuis für weiter Informationen. Gefangenenkarteikarten des Zuchthauses Siegburg vom Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen.
Ich danke dem Historiker Christian-Alexander Wäldner, Weetzen, für zusätzlichen Informationen.
Fußnoten:
1 Internet-Totenbuch der Gedenkstätte Sachsenhausen: ⟩  www.stiftung-bg.de/totenbuch/main.php
2 Erwin in het Panhuis, Anders als die Anderen, Schwule und Lesben in Köln und Umgebung 1895-1918, Köln 2006, Disc-Version S. 68. Er verwendete die Quelle Hauptstaatsarchiv Düsseldorf-Kalkum Rep. 112 Nr. 15 450,
  Akten der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts in Köln.
3 Joachim Müller »Unnatürliche Todesfälle«, in: Joachim Müller, Andreas Sternweiler, Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen, Berlin 2000, S. 216 ff.
   ⟩ Video von der Gedenkveranstaltung am 10.09.2017 am Gedenkort Klinkerwerk.
4 ⟩  Liste der Stolpersteine im Kölner Stadtteil Altstadt-Süd