Der Gesprächskreis Homosexualität

der Ev. Advent-Kirche Berlin-Prenzlauer Berg
war Initiator der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus.

Totgeschlagen - Totgeschwiegen -
den homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus

Gedenktafel für die Homosexuellen Opfer - KZ Sachsenhausen

Gedenkbuch

für die bisher namentlich bekannten ermordeten Homosexuellen des KZ Sachsenhausen & des Männerlagers im KZ Ravensbrück

Walter Ackermann

Gedenkbuch Walter Ackermann Geboren am: 17.08.1896
Geburtsort: Berlin
Ermordet am: 30.06.1941
Verlegeort:  20167 Hannover, An der Strangriede 2
Initiator: Ökumenische Gemeinschaft Homosexuelle und Kirche –
HuK Hannover e. V.
Zum Lebensweg: Der Elektroingenieur Walter Ackermann, 1886 in Berlin geboren, nahm als Offizier am Ersten Weltkrieg teil. Ende 1933 erhielt er eine erste "einschlägige" Vorstrafe: fünf Monate Gefängnis wegen Beleidigung. Dahinter verbarg sich Onanie mit einem Jugendlichen, die derzeit noch nicht aufgrund § 175 StGB bestraft werden konnte.
Im Dezember 1935 zog Walter Ackermann nach Hannover und arbeitete als technischer Vertreter. Im November 1937 wurde er erneut wegen Onanie mit einem Jugendlichen verurteilt, diesmal zu neun Monaten Gefängnis.1

Nicht einmal ein halbes Jahr nach der Entlassung aus der Haft wurde Ackermann wieder verhaftet, nachdem ihn ein 19jähriger angezeigt hatte. Das Urteil des Landgerichts Hannover vom April 1939 war drastisch: Zwei Jahre Zuchthaus aufgrund § 175a StGB und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von fünf Jahren.

Der Paragraph 175a StGB war von den Nationalsozialisten erst 1935 zusätzlich eingeführt worden und bedeutete eine radikale Verschärfung der Kriminalisierung Schwuler. Während zuvor das "Vergehen" mit höchstens fünf Jahren Gefängnis bestraft werden konnte, lag ab 1935 die Höchststrafe des "Verbrechens" bei zehn Jahren Zuchthaus. Seine Strafe ist als typisch nationalsozialistische Kriminalisierung Schwuler zu werten. Im Gegensatz zu anderen typischen NS-Gesetzen, die nach 1945 abgeschafft wurden, galten die Nazifassungen der Paragraphen 175 in der Bundesrepublik bis 1969 ungebrochen fort. Die NS-Regelungen führten allein in der NS-Zeit zu rund 51.000 Verurteilungen Schwuler und in der Bundesrepublik zu rund 61.000 Verurteilungen.2

Im Mai 1939 kam Ackermann in das Zuchthaus Celle. Diverse Gutachten faßte am 19. Oktober 1940 im Zuge der Entlassungsvorbereitungen ein Gerichtsassessor in einem Schreiben an die Kriminalpolizei Hannover zusammen:
"Zwar bestünden über seine Führung und Arbeitsleistung keine Klagen, aber: Ebenso, wie die Vorstrafen es nicht vermocht haben, Ackermann zu einer gesetzmäßigen Lebensführung zu bringen, vermag auch die jetzige Strafe ihn nicht zu einer inneren Umstellung zu veranlassen. Er wird auch wieder rückfällig werden, sofern er bei seiner Entlassung auf freien Fuß gesetzt werden sollte. Ackermann wird hier am 18. 11. 1940 um 18.00 Uhr entlassen."3
Es kam, was Justiz und Strafvollzug gefordert hatten: Auf Anweisung der Kriminalpolizeileitstelle Hannover in der Hardenbergstraße wurde Ackermann nicht in die Freiheit entlassen, sondern in polizeiliche Vorbeugungshaft genommen. Anfang 1941 befand er sich im KZ Sachsenhausen. Er erhielt die Häftlingsnummer 35577. Dort starb er 54jährig am 30. Juni 1941, angeblich an "Versagen des Kreislaufs" im Krankenbau4, eine Folge der Haftbedingen.

Dem Wunsch der Nationalsozialisten nach "Vernichtung durch Arbeit" fielen tausende Schwule zum Opfer.
Autor & Bild: © Rainer Hoffmann; Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e. V.
Fußnoten:
1 Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann 86 Celle, Acc 142/90, Nr. 63/39, Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen, R 207/M 23, S. 128, 166. Ich danke Fred Brade für die Informationen aus Sachsenhausen.
2  Vgl. Rainer Hoffschildt, 140.000 Verurteilungen nach "§ 175" in: Invertito, Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten, Band 4, Hamburg 2002, S. 140-149.
3  Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann 86 Celle, Acc 142/90, Nr. 63/39
4  Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen ⟩  Internet-Totenbuch der Gedenkstätte Sachsenhausen;  Sterbeurkunde ⟩  im Aroslen Archives International Center on Nazi Persecution (ehem. Internationaler Suchdienst Arolsen.)