Der Gesprächskreis Homosexualität

der Ev. Advent-Kirche Berlin-Prenzlauer Berg
war Initiator der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus.

Totgeschlagen - Totgeschwiegen -
den homosexuellen Opfern
des Nationalsozialismus

Gedenktafel für die Homosexuellen Opfer - KZ Sachsenhausen

Gedenkbuch

für die bisher namentlich bekannten ermordeten Homosexuellen des KZ Sachsenhausen & des Männerlagers im KZ Ravensbrück

Wilhelm Waltereit

Gedenkbuch Walter Waltereit Geboren am: 02.08.1893
Geburtsort: Harburg
Ermordet am: 03.03.1941
Verlegeort: ⟩ 21073 Hamburg, Harburger Ring 8
Initiator: k. A.
Zum Lebensweg: Wilhelm Heinrich Waltereit, geb. am 2. August1893 in Harburg, mehrfach inhaftiert 1937-1940, mit der Häftlingsnummer 35047 im KZ Sachsenhausen, ermordet am 3. März 1941.1

... Befragt über seine sexuelle Veranlagung, bestritt Wilhelm Waltereit 1937 und 1938 homosexuelle Neigungen, vermutlich eine Schutzbehauptung. Denn an anderer Stelle räumte er homosexuelle Handlungen während des Ersten Weltkriegs sowie mit zwei seiner Neffen in den Jahren 1917 und 1932 ein. Wegen dieser Vorgänge wurde er nie angeklagt, da sie 1937, als er sie eingestand, verjährt waren. Wilhelm Waltereit behauptete, 1920 wegen Erregung eines öffentlichen Ärgernisses zu 200 RM verurteilt worden zu sein. Doch war er nach dem Strafregisterauszug vom 30.11.1937 unbestraft.

Am Abend des 26. Oktobers 1937 stieß er in angetrunkenem Zustand an der Dreifaltigkeitskirche in der Harburger Innenstadt auf eine Gruppe von neun männlichen Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 20 Jahren. Nach deren Berichten war Wilhelm Waltereit zudringlich, fasste sie um die Hüfte, machte anzügliche Bemerkungen, ... und soll dem Jüngsten dieser Gruppe an den Oberschenkel gegriffen haben. Nachdem die Jugendlichen mit ihm ihr Spiel getrieben, sich scheinbar auf ihn eingelassen hatten und mit ihm durch die westliche Harburger Innenstadt gezogen waren, brachten sie ihn zur Polizeiwache in der Marienstraße, und der Jüngste zeigte ihn bei der Polizei an.

Bis zum 9. Dezember 1937 wurde er im KZ Fuhlsbüttel in "Schutzhaft" genommen. Während der kriminalpolizeilichen Vernehmungen bestritt Wilhelm Waltereit, sich am 26. Oktober 1937 strafbar gemacht zu haben, räumte aber eine gleichgeschlechtliche Handlung im Jahre 1936 ein, was er im Prozess am 4. Februar 1938 widerrief. Deshalb setzte das Gericht die Verhandlung aus und ordnete weitere Untersuchungen an. Im zweiten Prozesstermin am 14. Oktober 1938 verurteilte der Richter ihn zu sechs Monaten Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft, sodass er noch am selben Tag entlassen wurde.

Nur 4½ Monate später, am 4. März 1939, wurde Wilhelm Waltereit erneut in "Schutzhaft" im KZ Fuhlsbüttel genommen, wo er bis zur Überführung in die Untersuchungshaft am 10. März 1939 verblieb. Am 17. Juli 1939 verurteilte ihn das Gericht wegen "eines versuchten Sittenverbrechens" zu einer Strafe von 15 Monaten Zuchthaus, die er bis zum 24. Oktober 1940 im Zuchthaus Fuhlsbüttel verbüßte. Er wurde danach nicht zu seiner Harburger Adresse, sondern zur "P. B." (Polizeibehörde) entlassen, über das innerstädtische Polizeigefängnis Hütten in das KZ Sachsenhausen gebracht worden. Innerhalb des Konzentrationslagers wurde er am 21. Februar 1941 vom Häftlingsblock Isolierung2 in den Krankenbau verlegt, wo er am 3. März 1941 angeblich an "akuter Herzschwäche" ums Leben kam, ermordet wurde.
Bild: © Klaus Möller, Initiative Gedenken in Harburg
Autor: »Der Fall Wilhelm Waltereit - Denunziation durch Jugendliche« in: Gottfried Lorenz: Sündenbabel Harburg?, Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten, 13. Jahrgang, 2011, Männerschwarm Verlag Hamburg 2012, Seite 122 ff
Fußnoten:
1 KZ Sachsenhausen 1936 - 1945: ⟩ Internet-Totenbuch
2 Vgl. »Wohl dem, der hier nur eine Nummere ist« Die Isolierung der Homosexuellen, Joachim Müller in: Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen Joachim Müller, Andreas Sternweiler, Verlag rosa Winkel, Berlin 2000.
Neuauflage: Männerschwarm Verlag Hamburg 2015