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»RosaWinkelGedenkbuch« NS - Strafverschärfungen |
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1872 - Der Paragraph 175 Reichsstrafgesetzbuch erklärte den sexuellen Kontakt zwischen Männern zu einer kriminellen Handlung.
Ursprünglich stammt der Paragraph aus dem Kaiserreich, genauer aus dem Jahr 1872. In der Weimarer Republik forderten verschiedene gesellschaftliche Gruppen und politische Parteien, den Paragraphen entweder abzuschaffen oder zu verschärfen, ohne dass es zu einer Reform kam. Während der NS-Zeit wurden zwischen 1935 und 1945 Rund 50.000 Männer nach § 175 verurteilt. Bis zu 15.000 von ihnen wurden in Konzentrationslager deportiert, wo sie den sogenannten "Rosa Winkel" als Kennzeichen tragen mussten. Tausende von ihnen wurden in den Konzentrationslagern, in den Gaskammern von Bernburg, Pirna-Sonnenstein und andere ermordet oder wurden mit einem Fallbeil oder Strang hingerichtet. Zur Geschichte des 〉
Paragraphen 175 und der Strafverfolgung bitte ausführlicher den Wikipedia Eintrag lesen.
Bild: Der linke Publizist Kurt Hiller veröffentlichte 1922 die Schrift 〉 "§175: Die Schmach des Jahrhunderts!“ |
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1933 - NS - Gewohnheitsverbechergesetz Das zur Zeit des Nationalsozialismus erlassene Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung beinhaltet eine umfangreiche Bearbeitung des Reichsstrafgesetzbuches mit der Einführung und Neufassung verschiedener Paragraphen. Begleitet wurde es von einem Ausführungsgesetz (RGBl. I S. 1000), mit dem zahlreiche andere Gesetze abgeändert wurden. Die von beiden Artikelgesetzen bewirkten Änderungen im Sinne der NS-Ideologie traten im Wesentlichen am 1. Januar 1934 in Kraft. 〉 Reichsgesetzblatt, Teil I, Nr. 133 verkündet. |
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1934 - Das Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei
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1935 - NS - Verschärfung § 175 Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten verschärften sie den § 175 RStGB erheblich. Am 5. Juli 1935 wurde das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs im 〉 Reichsgesetzblatt, Teil I, Nr. 70 verkündet. Nun war nicht einmal mehr die gegenseitige körperliche Berührung notwendig, so genannte "beischlafähnliche Handlungen",
um den Straftatbestand zu erfüllen.
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1936 - Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung
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Die Reichszentrale wurde am 10. Oktober 1936 durch geheimen Erlass des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, im Zuge
der Neuorganisation der Kriminalpolizei beim Reichskriminalpolizeiamt gegründet. Der Erlass wurde nicht im
Reichsministerialblatt der inneren Verwaltung (RMBliV) veröffentlicht, aber an alle Staats- und Kriminalpolizeistellen
übermittelt. Ihre Einrichtung war der Auftakt für die nach den Olympischen Spielen 1936 wieder verstärkt einsetzende
Homosexuellenverfolgung. Die Aufgabe der Reichszentrale bestand vorrangig in der Sammlung von Daten über Homosexuelle.
1940 waren bereits Dateien von 41.000 als homosexuell bestrafter oder verdächtiger Männer gespeichert.
Die zentrale Datenspeicherung erlaubte es der Reichszentrale, Maßnahmen zur Verfolgung und Bestrafung von Homosexuellen einzuleiten und zu koordinieren. Dazu stand ihr der Einsatz von mobilen Sondereinheiten zur Verfügung, die auch vollzugsmäßig eingreifen konnten.
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1940 - Runderlaß Reichssicherheitshauptamt vom 12. Juli 1940 - KZ für "mehrfache Verführer" Reichssicherheitshauptamt 12. Juli 1940 V B 1 Nr. 1143/40
Quelle: Günter Grau (Hrsg.): Homosexualität in der NS-Zeit. Dokumente einer Diskriminierung und Verfolgung. 2., überarbeitete Auflage. Fischer-TB, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-596-15973-3. S. 244, 311 |
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1941 - Strafverschärfung mit Todesstrafe "Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuchs vom 4. September 1941" veröffentlicht im 〉 Reichsgesetzblatt, Teil 1, vom 8. September 1941 Nr. 101, S. 549-550
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1941 - Erlaß des Führers zur Reinhaltung von SS und Polizei - Todesstrafe gegen Angehörige von SS und Polizei vom 15. November 1941 Der Führer - Führerhauptquartier, den 15. November 1941 Um die SS und Polizei von gleichgeschlechtlich veranlagten Schädlingen reinzuhalten, bestimme ich: I. Für die Angehörigen der SS und Polizei tritt anstelle der §§ 175 und 175a des Reichsstrafgesetzbuches folgende Strafbestimmung: Ein Angehöriger der SS und Polizei, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich
von ihm zur Unzucht mißbrauchen lässt, wird mit dem Tode bestraft.
II. Die Erkennung der unter I. angedrohten Strafen ist unabhängig von dem Alter des Täters. III. Die unter I. bezeichneten Straftaten unterliegen der SS-und Polizeisondergerichtsbarkeit nach den für diese geltenden Bestimmungen. Die Zuständigkeit der Wehrmachtsgerichte bleibt unberührt. IV. Die zur Durchführung und Ergänzung dieses Erlasses erforderlichen Vorschriften erläßt der Reichsführer-SS undausrücken fehlt Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern. Der Führer - Gezeichnet Adolf Hitler Bild: 🔎 Beispiel Belehrung über den Erlass des Führers. |
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1945 - Nach der Befreiung vom Faschismus In beiden deutschen Staaten (DDR & BRD) blieben die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus die Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus verwehrt, sie wurden verschwiegen und blieben unsichtbar. Die Bundesrepublik behielt die NS-Fassung des Paragrafen weitgehend unverändert weiter, während die ebenfalls 1949 gegründete DDR zur alten Fassung zurückkehrte. 1968: Das Strafgesetzbuch der DDR wurde am 12. Januar 1968 erlassen und trat am 1. Juli 1968 in Kraft In § 151 StGB-DDR wurden gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen von Erwachsenen mit Jugendlichen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe gestellt:
1987: In einem Revisionsverfahren gegen einen einunddreißigjährigen Lehrer, der sexuelle Beziehungen zu einem Siebzehnjährigen unterhielt, wurde das Urteil des Kreisgerichts Leipzig aufgehoben. Im grundsätzlichen Urteil vom 11. August 1987 stellte das Oberste Gericht der DDR fest, dass "Homosexualität ebenso wie Heterosexualität eine Variante des Sexualverhaltens darstellt. Homosexuelle Menschen stehen somit nicht außerhalb der sozialistischen Gesellschaft, und die Bürgerrechte sind ihnen wie allen anderen Bürgern gewährleistet. ... homosexuelle Handlungen mit Jugendlichen kurz vor dem achtzehnten Lebensjahr 'keine wesentlich anderen Folgen bewirken als heterosexuelle Beziehungen zwischen einem Erwachsenen und einem Jugendlichen' ..."Ein Jahr später strich die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik in ihrem 5. Strafrechtsänderungsgesetz vom 14. Dezember 1988 den § 151 ersatzlos, verkündet im Gesetzblatt der DDDR I Nr. 29. Das Gesetz trat am 1. Juli 1989 in Kraft (Vgl. Schäfer, Christian: "Widernatürliche Unzucht (§§ 175, 175a, 175b, 182 a.F. StGB), Berliner Wissenschaftsverlag 2006, S. 251 ff) |
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2002: Aufhebung des § 175 in der BRD Symbolisch auf den 17. Mai 2002, ein Zahlenspiel §175 = 17.5., gelegt, beschloss der Bundestag gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP eine Ergänzung zum〉 Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhG, BGBl. 2002 I S. 2714). Damit wurden Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen und wegen Fahnenflucht in der Zeit des Nationalsozialismus für nichtig erklärt. Obwohl die Rechtsgrundlage bis 1969 die gleiche war blieben die Urteile nach §§ 175, 175a StGB bzw. 151 StGB der DDR unangetastet. |
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22. Juli 2017: Rehabilitierung der 175'er 〉 Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen (StrRehaHomG, BGBl. 2017 I S. 2443) und zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Kraft getreten. Eine sehr späte, für Betroffene zu späte Gerechtigkeit. Männer, die wegen einvernehmlichem Sex mit Männern bestraft wurden, werden nun rehabilitiert und haben Anspruch auf Entschädigung. Aber nicht alle, beispielsweise blieben jene Opfer unberücksichtigt, die in Untersuchungshaft saßen und nicht verurteilt wurden. Während einvernehmliche sexuelle Kontakte zwischen einem 18-jährigen Mann und einer 17-jährigen Frau nicht geahndet wurden, wurden Homosexuelle in gleicher Alterskonstellation strafrechtlich verfolgt. Auch die Höhe der Haftentschäding ist wesentlich geringer. Sie erhalten nur 3.000 € je aufgehobenem Urteil sowie zusätzlich 1.500 € je angefangenem Jahr erlittener Freiheitsentziehung. Die übliche Haftentschädigung 25 € für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung.Siehe auch: 〉 Ratgeber des LSVD |